Stinger hatte sorgfältig darauf geachtet, dass der Dienstplan Freizeit für beide enthält, so dass sie mit beiden ihre jeweiligen Angelegenheiten in einem einzigen Besuch erledigen könnte.
Am Quartier angekommen hebt sie die Hand und klopft kräftig an.
Kam es aus dem Bad von Jack gerufen, als dieser kurz danach in der Tür stand um zu schaun wer da war. Er hatte wohl gerade geduscht, da hinter ihm leihcte Dampfschwaden das Bad verließen. Lediglich in ein Handtuch gehüllt um seiner Hüfte stand er nun da, während er sich mit einem anderen Handtuch die Haare abtrocknete. Sein elicht vernarbter und gut trainierter Oberkörper war deutlich zu sehen und er hatte nur eine Reaktion als er Stinger erblickte.
Stinger lächelt dezent, als Orchids Überraschung förmlich in ihrem Gesicht abzulesen ist.
"Nun..."
Sie unterbricht den begonnenen Satz, als Cerberus in ihr Blickfeld tritt und für einen winzigen Augenblick ist ein anerkennendes Funkeln in ihren Augen zu erkennen, welches jedoch jäh von der eisigen Kälte abgelöst wird, die ihr zu eigen ist. Ihr Lächeln schwindet, als sie die flapsigen Worte vernimmt und ihre Mundwinkel nehmen eine abweisende Haltung ein. "Eigentlich war ich gekommen, um mich nach dem Wohlergehen meiner Schwester zu erkundigen...nach deinem Zusammenbruch. Und ich wollte deinem Mann mitteilen, dass sein Alkoholverbot aufgehoben ist."
Ihre Stimme ist von dem warmherzigen Auftakt zum kalten, rationalen Tonfall herabgekühlt, als sie leicht den Kopf schüttelt.
"Verzeih, Schwester, ich hätte besser eine Nachricht gesandt. Genießt eure Freizeit."
In ihrem Blick ist nunmehr nichts mehr von der Freundlichkeit geblieben, mit der sie die Begegnung eröffnet hatte.
"Eisern im Innern, Eisern nach Außen." murmelt sie leise, aber gut verständlich, ehe sie sich endgültig abwendet und davon geht.
Oh man, immer das gleiche. Was bin ich hier? Die Kindergärtnerin?
Mei hatte sich schnell wieder gefangen, wobei sie Jacks unrühmlichen Auftritt wohl so nicht erwartet hätte.
"Wir reden später."
zischte sie ihren Mann fast schon an, bevor sie das Quartier verließ und strammen Schrittes neben Stinger herlief.
"Ich werd mich nicht für das unangebrachte Auftreten meines Ehemannes entschuldigen. Er ist nun mal ein emotionaler...Elefant im Porzellanladen. Ich denke, das weißt du sowieso. Aber warum misst du seinem Unsinn überhaupt so viel Bedeutung zu? Worte sind machmal tödlicher als Waffen, doch seine kommen hier nicht mal an eine stumpfe Klinge heran. "
Stinger blickt mit einer leichten Drehung des Kopfes aus den Augenwinkeln zu Orchid.
"Ich erwarte keine Entschuldigung von dir oder deinem Ehemann. Er ist ein Bauer und spricht aus, was er denkt. Im Gegensatz zu mir." antwortet Stinger mit dem allzu bekannten kühl-distanzierten Tonfall. "Ich sagte es dir schon einmal: bevor ich hierher kam, habe ich Männer und Frauen aus geringerem Anlass zu ihren Ahnen geschickt oder dauerhafte Wunden hinterlassen. Er ist jedoch für mich unantastbar, denn ich habe kein Recht, den Bund meiner Schwester zu brechen, weder im Bett noch mit der Klinge."
Sie hat ihre Schritte nicht verlangsamt, sondern geht immer weiter.
"Hast du dasselbe bedacht, als du MEINEN Gefährten herausgefordert hast ? Mein Gefährte oder meine Schwester, einer von euch wird unterliegen...und nach dem Gesetz von Carthae ist es meine Pflicht, den Sieger meinerseits zu fordern. Auch wenn es mir zuwider ist, gegen einen von euch zu kämpfen."
Sie schüttelt leicht den Kopf.
"Und nun ist es dir doch gelungen, meine Gedanken in Worte zu verwandeln, Schwester. Eine unangenehme Gabe."
Mei ließ Stinger ihre Sprüche raushauen. Diese ganze Schwertfrau- Carthae-Sache war immer noch schwer nachvollziehbar, fast schon archaisch. Aber gut...
"Warum betrachtest du einen harmlosen Übungskampf als ein Duell auf Leben und Tod ? Bist du selbst über Nacht zur Schwertmeisterin geworden?"
Orchids Frage hatte einen leicht sarkastischen Unterton. "Ich hätte dich damals fast umgebracht als wir gekämpft haben. Mein Wissen/Können ist mir auch nicht in den Schoß gefallen. Ohne Praxis... Folge deinem Kodex. Eine Urteil steht mir nicht zu. Doch du bist auch Offizierin der TC, stellvertretende GF. Diese Dinge sollten nicht kollidieren."
Sollten...
"Wir werden das nach unserer Rückkehr auf der Firewall klären. Wenn du dann immer noch meinst, herausfordern zu müssen, dann sei dem so."
Stingers Augen verengen sich, als Orchid ihre Beleidigungen ausstößt.
"So kommt die Wahrheit zutage und ich erkenne, dass ich eine Närrin war. Aber ich nehme die Lektion an." antwortet Stinger nun mit vollendeter Ruhe und bleibt stehen. "Es gibt nichts weiter zu sagen, Major Cross-Katai. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag." fügt Stinger bar jeder Gefühlsregung hinzu, salutiert und wendet sich dann ohne weitere Worte ab, um ihren Weg fortzusetzen.
Und ein weiteres Mal hat die Schwertfrau unwiderbringlich eine Schwester verloren.
Das war genau der Moment, welcher das Fass zum Überlaufen brachte. Noch nie, noch nie hatte Mei jemanden einen Schwur geleistet und war dermaßen betrogen worden, wie Stinger es gerade tat. Das sollte ihr letzter Fehler gewesen sein.
„Einem Ehrenkodex zu folgen, den man sich nach Gutdünken zurechtbiegt hat nichts mit Ehre zu tun Captain. Verprellen sie sich nicht mit dieser Selbstgefälligkeit ihre Kameraden oder Liebhaber.“
Solche Arroganz. Mei machte sich nicht mal mehr die Mühe zu salutieren. Diese Frau hatte nicht die geringste Geste von Respekt verdient, außer es war (leider) dienstlich nötig. Jack hatte Recht gehabt. Der Bauer mit dem Herzen aus Gold.
Drehte sich auf dem Absatz um.
„Sie entschuldigen mich Raani.“
Und ging zurück zu ihrem Quartier.
[Raani - Hindi, Bedeutung: la reine, regina etc. - man muss es ja nicht zu einfach machen ]
Sie rannte mehr zu ihrem Quartier, als dass sie ging. Dort angekommen, griff sich Mei die erstbeste Tasse, die herumstand und pfefferte diese gegen die Wand. Mit einem lauten Klirren zerbarst die Tasse in tausend Teile.
"Du hattest Recht Jack."
Mei war es offensichtlich egal, wo ihr Mann sich gerad aufhielt, denn sie redete einfach ins Nichts.
"Du hattest Recht und ich habe dich für töricht gehalten. Es tut mir leid."