Seit dem verhängnisvollen Durchbruch in Kilrathigebiet und der Schlacht am Sprungpunkt waren nur wenige Stunden vergangen, aber Lidija kam es wie Tage vor. Zur Sorge um Jack kamen ihre ganz persönlichen Probleme. Ihr Quartier hatte einen Volltreffer abbekommen und sie war damit beschäftigt gewesen, sämtliche verlorene Ausrüstung neu zu beantragen, in ihr neues Quartier zu schleppen und dort alle Gegenstände in den beiden kleinen Spinden zu verstauen. Und da Scott sich bisher nicht hatte blicken lassen, war diese unerwartete Sonderaufgabe an ihr alleine hängen geblieben.
Zuerst war sie wütend auf Scott gewesen, dann enttäuscht und schließlich hatte sie es einfach hingenommen. Seit Scott ihr seinen Drogenkonsum gestanden hatte, war er öfter verschwunden. Er hatte nie gesagt, wohin er sich verdrückte und Lidija, unsicher ob sie die Antwort überhaupt hören wollte, hatte nie danach gefragt. Trotzdem hatte sie wie selbstverständlich auch Scotts verloren gegangene Ausrüstung besorgt und seinen Spind eingeräumt.
Im Vergleich zu ihrem alten Quartier war ihre neue Unterkunft geradezu spartanisch. Man sah es dem Raum an, dass er eigentlich nur für eine Person gedacht war. Immerhin hatte ihr der VO geholfen, einen zweiten Spind und eine Art Feldbett zu organisieren. Das Feldbett hatte sie selbst bezogen. Schließlich schlief sie noch immer schlecht, da machte es ihr nichts aus, wenn Scott die ordentliche Koje abbekam.
Als sie mit allem fertig war, die beiden Betten bezogen und die Spinde eingeräumt hatte, war von Scott immer noch nichts zu sehen. Seufzend nahm sie ihr PAD zur Hand. Einen kurzen Moment dachte sie daran, eine Verlustliste anzufertigen, verwarf den Gedanken aber wieder. Sie hatte kaum persönliche Besitztümer in ihrem Quartier gelagert. Und das wenige, was sie verloren hatte, war kaum von materiellem Wert gewesen. Als sie von
Toadstool aufgebrochen war, hatte sie nur einen Rucksack, hauptsächlich mit etwas Kleidung und kleineren Erinnerungsstücken, mitgenommen. Die wichtigen Fotos, die ihr Leben dokumentierten, ließen sich zum Glück nicht so einfach vernichten. Selbst wenn die Olympic vernichtet würde und sie mit ihr, so würde doch ihre Fotosammlung überdauern.
Ein wehmütiges Gefühl überkam Lidija. Ihr Aufbruch von
Toadstool, ihre ersten Tage auf der
Eternity, das alles schien so weit weg, als wären es Erinnerungen aus einem anderen Leben, was in gewisser Weise auch zutraf. Sie ließ zu, dass das wehmütige Gefühl sie überwältigte, setzte sich neben ihrem Bett auf den Boden, den Rücken an die kühle Wand gelehnt, und blätterte das Fotoalbum auf ihrem PAD durch. Fotos von ihren Eltern und ihren Geschwistern, von denen sie nur wusste dass sie zu Beginn der mantuherrschaft geflohen waren, zogen über den Bildschirm, gefolgt von Aufnahmen, die auf der
Eternity entstanden waren, in jenen längst vergangenen und soviel glücklicheren Zeiten. Bei einem Foto von ihr und Scott, das sie beide glücklich in die Kamera lächelnd zeigte, stoppte sie und eine einzelne Träne lief ihr die Wange hinab.
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