Lidija nickte wissend und fühlte sich an die Zeit erinnert, als sie selbst noch leichte Jäger geflogen war und das Gefühl der Leichtigkeit genossen hatte ... bis es ihr gründlich verleidet wurde.
Ich denke, das lässt sich einrichten. Aber bevor ich sie in eine Thunderbolt setze, möchte ich sehen, wie sie die Hornet beherrschen. Haben sie schon einmal an einem Luftkampf teilgenommen? Ich meine, außerhalb des Simulators?
"Ein echter Kampf? Sie meinen mit scharfen Waffen, richtigen Explosionen und Feuer und Plasma und... nein. Dazu ist es nie gekommen. Aber die Simulationen fühlten sich schon sehr realistisch und bedrohlich an, Ma'am." War es in echt schlimmer? Würde ihr Herz noch schneller schlagen? War es überhaupt so, dass man ständig in Raumkämpfe verwickelt wurde? Die meisten Flüge würden doch wohl hoffentlich langweilige Routine sein. Oder nicht?
Ich dachte eher an eine Luftkampfübung unter realen Bedingungen. Aber ich entnehme ihren Worten, dass sie bisher nur im Simulator geübt haben.
Man merkte es Lidija an, dass es nicht die Antwort war, die sie hören wollte. Was brachte man den Kadetten überhaupt noch bei? Zu ihrer Zeit gab es regelmäßig echte Luftkampfübungen in echten Maschinen.
Sie werden feststellen, dass es doch einen erheblichen Unterschied ausmacht, ob man in einem Simulator sitzt oder in einer echten Maschine.
Helen hatte schon häufiger davon gehört, dass echte Kämpfe anders wären als die im Simulator oder die im Fernsehen. Aber eigentlich hatten alle immer nur gesagt, dass es in echt weniger grell, weniger schnell und weniger actionlastig zuginge. Alles total übertriebene Effekte. Und dass man ständig für Kämpfe trainieren würde, die aber nur selten wirklich stattfanden. Und was Meredith - möge sie in der Hölle brennen - über ihren leiblichen Vater erzählt hatte, musste dieser ein lockerer und entspannter Typ gewesen sein. Sie hatte ihn sich ein wenig wie Klinger vorgestellt. Jemand, der alles unaufgeregt nimmt und das Leben als einen großen Spaß begreift. So konnte man doch nicht sein, wenn das Leben hier draußen wirklich sooo gefährlich wäre. Oder doch?
Da Helen nicht so recht wusste, wie sie anders hätte reagieren sollen, nickte sie auf Lillys Feststellung hin. "Also... ich habe natürlich in einer richtigen Hornet gesessen und sie gesteuert. Wir sind Manöver in der Atmosphäre und im Weltraum geflogen. Und es gab so eine Art Zielschießen auf simulierte Ziele." Helen kam sich auf einmal ziemlich klein vor. Hatten Kadetten in ihrer Situation normalerweise schon so etwas wie Kampferfahrung? Hoffentlich war ihre Vorgesetzte nicht allzu enttäuscht von ihr.
Lidija musterte Helen erneut eindringlich. Sie wurde das Gefühl nicht los, sie schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Und auch der Name Baie kam ihr nicht unbekannt vor.
Nun gut. *schließlich sagt.* Ich werde in den nächsten Tagen ein Trainingsprogramm für sie erstellen, um festzustellen, wie ihr Ausbildungsstand liegt. Danach sehen wir weiter.
Ein Trainingsprogramm. Die waren, so schien es Helen zumindest, ein dauerhafter Bestandteil ihres Lebens. Aber was hatte sie auch sonst erwartet. Ingenieure und Wartungstechniker mochten dafür sorgen, dass ein Raumjäger so reagierte wie es von ihm erwartet wurde. Für die Instandhaltung des eigenen Körpers musste schon jede Pilotin selbst sorgen.
Und dann war da wieder dieser forschende Blick. Helen versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie unwohl ihr dabei war. "Danke Ma'am." Hätte sie noch so etwas sagen sollen, wie "Ich werde im Training alles geben"? In einem Film hätte das der junge Rekrut getan. Dann hätte man eine Montage gesehen, wie er sich in allen Trainingseinheiten voll reinhängt, über sich hinaus wächst und damit seinem skeptischen Ausbilder zeigt, dass er bereit für die richtig große Action ist. War das echte Leben auch so? Wenn ja, dann wäre das Hauptproblem dabei, dass das richtige Leben nicht aus Montagen bestand, sondern dass sie sich tatsächlich wochenlang würde abrackern müssen.
Dann sind wir soweit durch. Ich werde ihnen den Dienstplan im Laufe des Tages zukommen lassen. Nutzen sie bis dahin die Zeit, um sich auf der Invictus einzurichten.
Helen schossen sofort ein Dutzend Fragen durch den Kopf.
Wie würde sie untergebracht sein? Was wenn sie im Training nicht die geforderte Leistung erbrachte? Musste sie erneut zum Gesundheitscheck? Würde sie eine richtige Waffe erhalten? Sollte sie ihre Sachen selbst aus dem Frachtbereich abholen? Gab es ein Unterhaltungsprogramm für die Freizeit? Wie würde sie essen? Gemeinsam oder jeder für sich? Würde ihr Quartier eine Dusche haben? War sie wirklich gut genug für diese Einheit? Wann würde sie die ersten Pflichteinheiten haben? Wie würde sie die anderen kennenlernen? War das hier wirklich eine gute Entscheidung gewesen?
Aber sie stellte keine dieser Fragen laut. Sie wollte Gelassenheit finden und wahrscheinlich konnte sie die nur in sich selbst finden. Die Dinge auf sich zukommen lassen. Nicht so viel nachdenken. Das meiste würde sich bestimmt irgendwie ergeben. Hoffentlich. Wahrscheinlich stand einiges auch in diesem Dienstplan.
Daher schüttelte Helen nur den Kopf. "Nein, Colonel. Danke, für diese Einweisung. Ich hoffe, dass ich Sie und die Schatten nicht enttäuschen werde." Es hörte sich ein wenig kläglich an, fand Helen.
Lidija fühlte sich an ihr erstes Bordkommando erinnert und wie aufgeregt sie damals gewesen war.
Ich denke kaum, dass es dazu kommen wird. Mir ist durchaus bewusst, dass sie gerade einmal am Ende ihrer Ausbildung stehen und dass Flugakrobaten nicht einfach so vom Himmel herabfallen. Trotzdem erwarte ich, dass sie sich anstrengen und zeigen, was sie bereits gelernt haben.
Lidijas Worte waren eigentlich beruhigend gemeint, auch wenn sie es nicht lassen konnte, noch eine Ermahnung anzufügen.
Ich würde vorschlagen, dass sie als nächstes den Quartiermeister aufsuchen und sich ein Quartier zuweisen lassen, falls das nicht bereits geschehen ist.
