Hatte Klinger gerade angeordnet, dass sie den kilrathischen Jäger im Alleingang angreifen sollte? Offenbar hatte er das.
"Dafür hat Du trainiert Helen. Es musste früher oder später zu dieser oder einer ähnlichen Situation kommen. Allerdings hätte es gern auch später sein können."Während Helen sich dem kilrathischen Jäger näherte, flammte kurz eine Erinnerung in ihr auf.
Vor beinahe 15 Jahren auf der Erde am Set von "Warchild"...
Meredith kam gerade zu Helen reingeschneit, die in ihrem Zimmer auf dem Bett lag und ihre Dialogzeilen paukte.
"Komm mit Helen, wir haben etwas mit der Crew zu besprechen." Meredith hatte irgendwie aufgekratzt gewirkt. Das bedeutete in der Regel nichts gutes. Es war irgendwie eine Mischung aus Wut und Energie und Euphorie und genereller Unbeherrschtheit.
"Mom, muss das sein? Ich habe noch Text zu lernen. Ich will das hier nicht versauen, wenn ich schon in Deinem blöden Film mitspielen muss." Ihre Mutter gab sich erwartungsgemäß nicht damit zufrieden.
"Du kommst mit. Jetzt lernst Du etwas wichtigeres!"Helen hatte aus Erfahrung gewusst, dass es keinen Zweck hatte, sich weiter zu widersetzen, wenn Meredith in einer dieser Stimmungen war. Daher polterten Mutter und Tochter kurz danach in das Arbeitszimmer des Regisseuers Vincent van Pelt, der gerade mit dem Produzenten und zwei Assistenten in einer Besprechung saß.
"Mister van Pelt, wir müssen über die nächste Szene sprechen!" So wie sie es sagte, klang es nicht als hätte Meredith selbst das Bedürfnis zu sprechen. Sie ließ es klingen als sei sie um sein Wohlergehen besorgt und spräche nur aus, was ihm bereits seit langem klar sein müsste.
Van Pelt ließ sich nicht anmerken was er davon hielt oder ob er sich gestört fühlte. Er stand auf, breitete einladend die Arme aus und bot beiden einen Platz an.
"Meredith. Bitte. Sei uns willkommen. Was ist mit der nächsten Szene?" Er bot ihnen nichts weiter an. Nur ein Lächeln, das sich nicht ehrlich anfühlte. Das hatte Helen schon damals spüren können.
"Das kann ich Dir sagen, mein bester." Meredith flötete in einem liebenswürdigen Tonfall, der genauso unaufrichtig war wie Van Pelts Lächeln. Nur war sie besser im Vortäuschen als er.
"Im Drehbuch steht, dass Helen - ich meine natürlich Sue Anne - gleich ihren ersten Dogfight erleben soll. Und wie durch ein Wunder ist sie ein Naturtalent, erkennt, dass ihr das Fliegen im Blut liegt und geht völlig unerwartet siegreich aus der Auseinandersetzung hervor." "Ich kenne das Drehbuch, Meredith." erwiderte Van Pelt und schaffte es, weder genervt noch tadelnd dabei zu klingen.
"Dann weißt Du ja auch, mein bester, dass es eine Auseinandersetzung zwischen einer Hornet und drei Salthis sein soll." Meredith sagte es als gäbe es überhaupt nichts hinzuzufügen. Die erwartete Empörung der anderen Anwesenden blieb jedoch aus und so musste sie doch etwas hinzufügen.
"Drei! Drei Salthis. Ein kleines Mädchen ohne echte Ausbildung gegen drei - ich sage es nochmal 3 - also ziemlich genau drei! kilrathische kampfgestählte Kriegsmaschinen. Ich bin ja wohl nicht die einzige, die das total überzogen findet. Du weißt schon. Weil es eben" "Drei sind. War es das, was Du sagen wolltest, Meredith? Ja, das habe ich gemerkt. Und ich bin das mit dem Autor schon durchgegangen. Die Szene soll zeigen, dass Sue Anne - gespielt von Deiner bezaubernden Tochter - die geborene Kriegerin ist. Eben ein Kind des Krieges, Warchild eben. Deswegen muss sie schon bei ihrer ersten Berührung mit dem Kampf über sich hinaus wachsen obwohl sie noch nicht so weit ist."Meredith warf theatralisch die Arme in die Luft. Helen hatte, soweit sie sich erinnerte, genervt die Stirn gerunzelt. Sie wusste nicht, was die Aufregung sollte. War es denn schlimm, wenn sie im Spiel gegen mehrere Kilrathi kämpfte? Sie hatte sie Szene cool und aufregend gefunden.
"Jetzt sag doch auch mal was dazu, George. Schließlich bist Du der Produzent und Geldgeber für dieses Abenteuer. Dir sollte doch wohl am meisten daran liegen, dass es ein Erfolg wird." George Katei breitete bedächtig die Arme aus und sagte dann äußerst listig:
"Ich weiß nicht so recht, Miss Baie. Ich habe eher den Eindruck, Sie machen Sich vielleicht Sorgen darum, dass Ihre Tochter Ihnen die Show stehlen könnte. Vielleicht wollen Sie deshalb Ihren Auftritt schmählern." Wenn ihre Mutter gekränkt war, hatte sie sich nichts anmerken lassen. Nein. Mere war ganz in ihrer "Rolle". Das konnte sie gut.
"Oh, aber ganz im Gegenteil, George." Sie schnurrte förmlich als sie auf den Produzenten einging.
"Wenn Ihr Helen gegen drei Kilrathi kämpfen lassen wollt, ja dann könntet Ihr das natürlich machen. Aber dann wird Warchild eben eine Persiflage. Alle werden aus dem Film gehen und sagen - Na ja, das war ganz nette Unterhaltung aber total unrealistisch. - Aber lasst Ihr sie ein Duell kämpfen. Gegen einen einzigen Jäger... Dann können die Zuschauer sich sagen - Ja, vielleicht hätte ich das auch gekonnt. Vielleicht steckt auch in meinem Sohn oder in meiner Tochter ein Warchild. Davon abgesehen ist eine Salthi total unfotogen. DAS ikonische Kilrathischiff schlechthin ist doch wohl die Dralthi. Gegen so eine sollte Helen - äh ich meine natürlich Sue Anne - kämpfen." Mit dieser Bemerkung hatte sie Van Pelt aus der Reserve gelockt. Er wurde aufbrausend und fuhr Helens Mutter an:
"Das kommt überhaupt nicht in Frage! Die Modelle für die Salthis sind bereits gebucht und bezahlt. Es wird die Salthi genommen und es werden drei sein! Und damit basta!"Helen erfuhr erst viele Jahre später, dass Van Pelt seine Schwester und seine erste Frau bei dem Absturz einer Dralthi auf einem Mond in Vega verloren hatte. Aber Meredith musste es schon damals gewusst haben. Sie hatte den Regisseur ganz gezielt vorgeführt. Und das schaurigste an der ganzen Szene in Helens Erinnerung war der Blick, den ihre Mutter ihr in diesem Augenblick zugeworfen hatte. Dieser Blick, der ihr sagen sollte - Ich hoffe, Du hast gut aufgepasst. Ich habe gewonnen und ich werde meinen Willen bekommen. Sieh mir zu und lerne, wie man mit Männern umgeht, die sich mächtig vorkommen, aber eigentlich nicht mal sich selbst richtig verstehen.
Und ihre Mutter hatte Recht behalten. Katei ließ sich weder Van Pelts Art gefallen noch dass dieser ihm die Herrschaft über das Projektbudget und die generelle Leitung streitig machen wollte. Daher wurde Warchilds erster Kampf ein Duell. Mit einer Dralthi. Und es wurde ein Riesenerfolg, wie Meredith prophezeiht hatte. Die Szene wurde von der Kritik gefeiert. Und Van Pelt hatte es das Herz gebrochen. Als er später mit ihnen zusammen lebte, hatte Helen oft beobachtet, wie er trank, wenn wieder mal in einem Trailer oder einem Magazin oder einem Best Off die Szene gezeigt wurde, wie die Hornet und Dralthi miteinander kämpften. Und wie am Ende die Dralthi nicht einfach im Weltall explodierte, sondern auf einen kleinen Mond stürzte. Dass Meredith diese kleine Änderung ins Drehbuch geschmuggelt hatte, das hatte ihren Stiefvater am allermeisten verletzt, denn es gab dafür keine künstlerische Notwendigkeit.
Aber ihre Mutter war eben einfach ein Biest gewesen, die andere gern leiden ließ.
Konnte das wirklich die Realität sein? Dass Helen jetzt in einer Hornet saß und einen Kampf mit einer kilrathischen Dralthi auszutragen hatte? Es sah ganz danach aus. Und für einen Augenblick fühlte Helen sich als würde ein allmächtiger Gott das ganze Universum wie ein Blatt Papier zusammenknüllen und lachend durchs Zimmer werfen. Aber das ging vorbei. Sie musste sich konzentrieren.
Ob es nun Realität war oder ein böser Traum oder der Scherz eines Gottes, der so sadistisch war wie ihre Mutter es gewesen ist. Sie würde angreifen.
Helen beschleunigte ihre Hornet und löste die Sicherung der Bewaffnung. Und dann lachte sie befreit auf. Weil die Dralthi eben keine Dralthi war, sondern etwas anderes. Wie die merkwürdigen Maschinen, die sie bei ihrer Ankunft auf der Invictus gesehen hatte. Die die Techniker als Drohnen bezeichneten.
Befreit feuerte sie ihre Geschütze ab. Es war doch nur eine Übung.
Warchild würfelt 2w10+2 mit der Summe
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Warchild würfelt 2w4+2 mit der Summe
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