Mit geschlossenen Augen stand Adhara unter der Dusche und genoss einfach mal diesen Moment der Ruhe, das Prasseln des Wassers, den Duft des Shampoos.
Dr Ayuhara hatte ihr zwei neue Bücher besorgt, die im Gegensatz zu ihren Exemplaren auf dem allerneusten Stand der Forschung waren. Später würde sie lernen.
Später...
Ihr Körper gab ihr klare Erschöpfungssignale, nämlich das sie gerade nicht das geringste Bedürfnis hatte, sich aus der Dusche weg zu bewegen.
Die anstehende Abschlussprüfung war die eine Sache... Doch dadurch, dass James und Phonsy beide nun wieder an Bord waren, fiel auch gleichzeitig eine Art Last von ihr ab. Mitch fehlte... doch ansonsten waren sie wieder die "alte" Truppe von letztem Jahr. Hin und wieder fragte sie sich noch wie es Marcus ging, ob er glücklich auf der Carthago war, vielleicht auch wieder jemanden an seiner Seite hatte? Musste sie ein schlechtes Gewissen haben, sich so schnell nach der Trennung auf die Beziehung mit Tom eingelassen zu haben? Jedoch war nichts falsch daran, glücklich sein zu wollen und sich jemandem zuzuwenden, der einen fast blind verstand?
"Ein schöner Ring, ich beneide Sie darum."
Vermutlich hätte Ayuhara es anders formuliert, wenn sie gewusst hätte, welche Verluste sie und Tom auf ihrem Weg zum Glück erlitten hatten. Matteo und Cassandra... In Gedanken spielte Adhara mit dem Verlobungsring an ihrem Finger. Das war etwas, was sie sich völlig unterbewusst angewöhnt hatte seit sie ihn trug.
Schließlich konnte sie sich doch noch den Ruck geben, die Duschzelle zu verlasen. In ein Handtuch gewickelt trocknete sie ihre Haare vor dem noch halb beschlagenen Spiegel.
Im Augenblick war sie sicher nicht die einfachste Partnerin. Sie lernte jede freie Minute, war oft gestresst oder ausgelaugt. Der langsam frei werdende Spiegel offenbarte ein Gesicht, das die Anspannung vor der Prüfung nicht verleugnen konnte. Und während das eine Stimmchen sie daran erinnerte, dass es auch mal ok war, sich einen Tag Ruhe oder Spaß zu gönnen, mal wider etwas gemeinsam mit Tom zu unternehmen statt einfach im Quartier oder auf dem Aussichtsdeck zu sitzen und zu lernen war da das andere, das sie ermahnte, in die Bücher zu schauen. Es tat ihr leid. Und auch wenn Tom sie in allem unterstützte, sie abfragte, geduldig mit ihren Launen war, war das gerade auch für sie nichts was sie ihrer Beziehung länger als nötig zumuten wollte.
Sie trat aus dem Badezimmer und ihr Blick fiel auf die Bücher. Für einen Moment stand sie einfach da - noch immer in ihr Handtuch gewickelt- und starrte die Bücher an, die sie aufs Bett gelegt hatte; so als wären sie ein giftige Spinne, die verhinderte, dass sie sich aufs Bett setzen konnte.
Die Tür öffnete sich und Tom trat ein und wurde von einer Welle von Negativität erschlagen. Seine Augenbraue wanderte hoch als er Adhara mitten im Raum, tropfen und nur mit dem Handtuch eingewickelte erkannte und wie sie auf das Bett starrte wo ihre Bücher lagen.
Oh-oh dachte er sich und trat leise an sie heran.
"Snickers?" fragte er und streckte es ihr ins Sichtfeld. "Oder doch lieber ein Mars?"
Waren es nicht eher Stray Cat und Paladin, über die man sagte, man solle immer einen Schokoriegel in der Tasche haben, den man nach ihnen werfen kann um sie auf dem Flugdeck zu besänftigen? Hatte sie schon das "Ich-tret-dich-aus-der Luftschleuse" - Level erreicht?
"Beides?", fragte sie vorsichtig und hob den Blick hin zu Tom.
"Oder einfach eine Umarmung, ein paar liebe Worte, denn ich weiß selbst, dass ich eine dämliche Kuh bin und mich unnötig stresse, dass mein übertriebener Ehrgeiz mir wieder perfekt im Weg steht. Und gerade auch uns...."
Sie streckte die Arme aus und zog Tom zu sich, drückte ihn fest an sich.
Tom genoß ihre Nähe und schlang seine Arm um sie und küsste sie sanft auf die Stirn und schmunzelte.
"Wir haben eben wenige ruhige Zeiten hier an Bord und wir werden einfach gebraucht und sei ehrlich: anders herum wäre es doch langweilig oder etwas nicht?" sagte er und sah auf das Bett. "Mach mal eine Pause und geh mit mir ins Aboretum, krieg mal den Kopf frei, lass uns ein wenig spazieren gehen was denkst du?" fragte er ruhig.
Adhara schloss die Augen und schmiegte sich eng in seine Arme. Es tat gut, fest gehalten zu werden und der kleine sanfte Kuss auf die Stirn zeigte so viel Wertschätzung.
"Arboretum...", murmelte sie leise.
Der Gedanke klang verlockend. Im Grunde war sie viel zu selten da. Meistens war sie auf dem Panoramadeck oder im Kasino, hin und wieder mal im Shinto Schrein... Ein Bisschen Illusion von Natur mitten im Weltraum war vielleicht mal eine erfrischende Abwechslung. Während sie nachdachte, schlich sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen.
"Aber vorher das Snickers."
Fast etwas widerwillig löste sie sich aus der Umarmung und schnappte ihm den Schokoriegel aus der Hand.
"Der 'normale' Alltag soll ja auch nicht langweilig sein. Ich mein... hey, ich bin letztens meinem ersten Nephilim begegnet. So 'alb... Nur dieser Druck, den ich mir selbst vor der Prüfung mache.... So mag ich mich selbst nicht."
Sie aß ihn während sie sich anzog: eine bequeme Sportleggins und den grünen Off- Duty Hoodie, den Tom ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Fertig angezogen band sie ihre nassen Haare etwas unordentlich lose hoch.
"Bereit, mich entführen zu lassen."
Sie schaute in Toms blaue Augen und wusste, dass sie diese Auszeit dringend brauchte.
Mako lächelte und nahm Adhara an die Hand und beide schritten durch die Gänge bis sie zum Aboretum kamen.
Sofort hörte man das plätschern des künstlichen Baches denn man bei Umbau angelegt hat. Inzwischen war dieses Projekt zu einem sehr beliebten Platz geworden unter der Crew der Sewastopol. Viele die onplanet geboren waren nutzten sehr viel Zeit unter den Bäumen, Pflanzen und zogen ihre Schuhe aus um auf dem Gras spazieren zu können, natürlich alles in Maßen doch die ShipBears hattte zuerst den Kopf geschüttelt es aber dann auf Druck des alten Mannes bestehen lassen.
Und nun zog Tom Adhara sanft zu einer Bank unter einem Baum und seufzte leise als er sich setzte und sich an sie schmiegte.
Adhara genoss es, gemütlich mit ihm Hand in Hand durch die Gänge zu spazieren. Das kleine Stimmchen, das sie mit "du solltest lieber lernen" bekam den Mund gestopft. Zu lernen mochte wichtig sein, doch Adhara durfte daneben nicht vergessen zu leben und mit kleinen Auszeiten wie diesen neue Kraft zu tanken.
Für einen Moment schloss sie die Augen und lauschte dem Plätschern des künstlichen Baches.
Einatmen.... ausatmen...
Dieser Ort wirkte so friedlich, auch wenn sie nicht die einzigen Besucher waren. Nie würde man hier auf die Idee kommen, auf einem Träger zu sein.
Adhara ließ sich von Tom zu einer der Bänke ziehen, die unter einem Baum platziert war, und sie kuschelte sich eng an ihn und suchte seinen Blick.
"Nur schade, dass 'ier kein Eisverkäufer vorbei kommt...."
Sie schmunzelte als sie an den "Löffelflieger" denken musste, wurde dann jedoch ernst und nachdenklich.
"Merci d'avoir pris soin de moi. "
Darum hatte sie ihn an Bord der Carthago gebeten und er tat es immer noch. Vermutlich würde es immer wieder Phasen geben wo er ein Wenig auf sie aufpassen musste, dass sie genug schlief, genug aß und mehr Ruhe fand.
"Ich 'abe so Angst vor der Prüfung. Und ich weiß nicht einmal warum. Ich weiß theoetisch, dass ich mich selbst damit blockiere. Gib mir einen Feind in der Überzahl, Nephilim...wasauchimmer... ich funktionier in fast jeder Situation. Aber jetzt wo ich Erfolg oder Scheitern selbst in der 'and 'abe... verfalle ich in Muster, die mehr schaden als nutzen... "
Tom hörte sich alles in Ruhe an und nickte langsam.
"Wir sind gewohnt immer schnell einen Plan zu haben, bei Prüfungen ist es immer etwas anderes. Der Plan ist schon festgelegt und wir müssen uns einer Logik anpassen die nicht die unsere ist. Was für den einen verständlich ist, ist für den anderen ein Buch der 7 Siegel." sagte er ruhig.
"Du machst dir zuviel Kopf. Gerade sind in deinem Kopf ist zuviel Dinge die du machen musst, und schaffen musst, und musst musst musst. Lass los und entspanne dich. Du musst gar nichts, du musst es nicht beim ersten Mal schaffen, du musst nicht die beste sein. Das einzige was du wirklich "musst" ist mit dir zufrieden sein. Und dann ist alles in Ordnung." sagte er ruhig und strich sanft über ihren Arm.
"Und da ist das Problem: Ich bin nur mit mir zufrieden wenn ich bestmögliche Leistung bringe. Mein verdammter Ehrgeiz... Deshalb 'at es mich auch auf Langston so gewurmt, dass ich nicht beim ersten Schuss getroffen 'abe. Tut es immer noch... Ein Teil von mir weiß, dass ich mit einer Waffe unterwegs war mit der ich keinerlei Erfahrung im Gefecht 'atte, dass ich verletzt war... doch ein anderer sagt 'du warst die Schwächste im Team."
Sie seufzte leise.
"Ich 'abe ein paar Ziele für dieses Jahr, weißt du?"
Sie schaute zu seiner Hand, die zärtlich über ihren Arm strich und dann mit einem entschlossenen Blick in seine blauen Augen.
"Lt Adhara E'Lar! Dr Adhara E'Lar...."
Wie oft hatte sie den Namen in Gedanken schon gesagt?! Mit 31 noch Ensign zu sein hatte sie unter Bones nie wirklich gestört. Doch nun hatte sie ein CMO die bloß ein paar Jahre älter war als sie selbst - und das kratzte an Adharas Ego, auch wenn sie es sich nur ungern eingestand. Lebenswege waren verschieden und niemand konnte Adhara ihre Erfahrung nehmen die sie als Combat Medic bei den Marines gesammelt hatte. Trotzdem weckte die junge Vorgesetzte in ihr nur noch mehr Ehrgeiz, schnell "aufzuholen".
Aus dem Hintergrund erklingt leise eine harmonische Melodie, die von einem Saiteninstrument zu kommen scheint. Die sanften Klänge haben einen melancholischen Charakter, aber sie scheinen keine Traurigkeit zu vermitteln, sondern eher eine Art... Sehnsucht.
Geisha sitzt auf einer Grünfläche, mit dem Rücken an einen Baum gelehnt und ihre Shamisen in den Händen. Ihre Augen sind geschlossen und sie ist vollkommen in ihr Spiel vertieft, so dass man den Eindruck gewinnen könnte, sie wäre mit ihrer Umgebung verschmolzen.
Ich vereine mich mit der Natur. Das Gleichgewicht wird zurückkehren. Der Fluss des Lebens umgibt mich, ich kann das Pulsieren der Wurzeln fühlen und meine eigene Entwurzelung. Ich muss in Einklang kommen und neue Wurzeln bilden...
(113 Wörter)
"Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden." (- Japanische Weisheit)
