Die Maske wirkt weiterhin unberührt und auch ihre Hand ruht weiterhin regungslos neben dem Weinglas.
"Unser Volk hat die Macht im Reich Seiner Rasse ergriffen...und Seinesgleichen haben sich zur Wehr gesetzt. Unsere Niederlage hat größere Auswirkungen, als Er es sich vorstellen kann."
Sie legt die schlanken Finger um den Stiel des Weinglases.
"Unser Gebieter, der Unberührbare, hat Uns eine Rückkehr verweigert, da Wir Seine Befehle nicht ausführen konnten. Wir sind eine Renegatin geworden, die einen neuen Platz für Unsere Zukunft sucht...für Uns und die Überlebenden."
Sie trinkt einen weiteren Schluck des Weins, wieder wird für einen kurzen Augenblick die bleiche Haut sichtbar.
"Eine Fortsetzung des Krieges würde zur Vernichtung Unseres Volkes in Seiner Galaxie führen, und weitere Opfer unter Seinen Dienern. Dies wäre sinnlos. Für beide Seiten."
Der Präsident liess sich nichts über diese überraschende Offenbarung anmerken. Zugegeben, er wusste zu wenig über die Mantus, um die Worte Nahemas ins richtige Licht zu rücken. Der Herrscher der Mantus verbannt seine Leute und lässt ihnen ihre Flotte? Jedoch würde er sich hüten, diese Frage auf der Basis einer Doppelzüngigkeit der anwesenden Mantu klären.
“Wenn ich sie richtig verstanden habe, kann ihr Status als der einer Ausgestossenen betrachtet werden? Wer ausser ihnen und ihrem beindruckenden Schlachtschiff gelten ebenfalls als Renegaten?
Jon hatte bisher nur still gelauscht und zog dann doch merklich eine Augenbraue in die Höhe. Merkwürdig war noch das schmeichelhafteste was ihm gerade in den Sinn kam. Was war dann diese ganze zur Schaustellung?
"Der Feind meines Feindes ist mein Freund... oder wie war das?"
Die Antwort von Nahema auf die Frage von Del Maro folgt ohne Zögern.
"Unsere Definition eines Renegaten unterscheidet sich von der Seinen. Wir sind noch immer die Diener des Unberührbaren - SEIN Wort gebe ich an Ihn in diesen Räumen weiter, doch ist es Uns aufgrund von Versagen nicht mehr erlaubt, die Sterne Unserer Heimat je wiederzusehen." Sie macht eine kurze Pause.
"Ein Renegat der Mantu zu sein, bedeutet das vollkommene Scheitern in den persönlichen Ambitionen. Wir waren eine aussichtsreiche Anwärterin, um einst den Unberührbaren selbst von seinem Thron zu stürzen und SEINEN Platz einzunehmen, doch wurden Wir entdeckt und ER entsandte Uns in diese Region. Wir sind hier als SEINE Hand und SEIN Auge, aber ER hat SEINE Aufmerksamkeit auf andere Provinzen des Reiches gerichtet ... Uns bleibt nur Frieden zu schließen oder der Untergang."
Für die Menschen musste die Tatsache, dass meisterliche Täuscher wie Koriander, Windhauch und sie selbst, die den anderen Narren überlegen ist, die Opfer von noch gerisseren, scharfsinnigeren Gehirnen waren, ihre begrenzte Vorstellungskraft übersteigen.
Del Maro blickte diejenige stumm an, welche als Sprecherin des obersten Führers der Mantus galt. Hätte er die Macht gehabt, er hätte sie einem Kreuzverhör unterzogen. Zugegeben, es galt viel über die Mantus zu lernen, doch die Dinge, welche diese Nahema ihm hier erzählte, schienen für ihn im höchsten Masse unglaubwürdig zu sein.
Es half jedoch nichts, dieser Mantu sein Mißtrauen an Kopf zu knallen. Es brauchte eine Einigung, auch wenn die Mantus denken sollten, daß sie die Menschen einmal mehr über den Tisch gezogen hätten. Diplomatische Spiele waren nie einfache Scharaden und Maskierungen. Hinter jeder Maske verbarg sich eine weitere Maske und so wurde nicht nur ein doppeltes, nein, sondern im Minimum ein dreifaches oder mehrfaches Spiel gespielt. Was die Mantus vorgaben zu sagen, was sie beabsichtigten, was die Menschen denken sollten, war nicht das Gleiche, wie das was sie wirklich im Schilde führten. Im Endeffekt war die Antwort einfach.
"Frieden soll es also sein. Wie stellen sie sich diesen Frieden vor?"
Das war eine direkte unverblümte Frage. Del Maro würde sehen, was die Terranische Konföderation dulden mochte und was nicht. Doch zuerst würde sich Nahema exponieren müssen.
Die Reaktion von Del Maro war genau so ausgefallen, wie sie es erwartet hatte. Sie nimmt mit belustigter Miene zur Kenntnis, dass er auf die ungeschönte Wahrheit reagierte, als hätte sie ein vollkommenes Lügengespinst ausgebreitet ... die Terraner waren einfach zu beschränkt in ihrer Denkweise, um die komplexen politischen Verhältnisse ihres Volkes zu begreifen. Und diese Beschränktheit gibt ihr den Spielraum, mit der reinen Wahrheit - an den richtigen Stellen zur rechten Zeit verkündet - den gesamten Eindruck nach ihrem Willen zu verschieben, wo die Wahrheit ihr am meisten nutzt und ihren Feinden am meisten schadet.
Das Misstrauen der Terraner aufrecht zu erhalten, war ganz in ihrem Sinne... dies war der sicherste Weg, um die Position von Koriander und Windhauch weiter zu schwächen und ihre Machtbasis endgültig unangreifbar zu machen, wenn ihre Rivalen durch ihre gemeinsamen Feinde ausgeschaltet werden würden.
Ihre Fäden waren bereits gesponnen, doch die Vernetzung brauchte Zeit. Und Zeit galt es nun zu gewinnen.
"Unsere Krieger werden nicht länger die Waffen gegen die Terraner erheben, es sei denn zur Verteidigung. Es ist Ihm freigestellt, Piraterie oder Abtrünnige unmittelbar zur Rechenschaft zu ziehen oder an Uns auszuliefern. Wir werden Unsere Streitkräfte von Seinem Reich fernhalten und erwarten dasselbe von Ihm."
Sie ergreift abermals das Glas, um ihre Kehle zu befeuchten.
"Oder wünscht Er noch weitere Bedingungen zu diktieren, die Er mit Uns vertraglich binden möchte ?"
"Wir stimmen im Moment einem Waffenstillstand zu. Ob daraus mehr werden wird, hängt von ihrem Volk ab"
Ein freundliches, Lächeln erscheint in Del Maros Gesicht. Das Lächeln ist trügerisch, denn die nächsten Worte sind Hart. Ungewohnt hart für einen Del Maro.
"Unsere Forderungen sind trivial und deren Einhaltung dem entsprechend indiskutabel"
Die Worte waren so gewählt, daß der Standpunkt klar und deutlich gemacht wurde. Eine Abweichung davon würde nicht im Ansatz toleriert werden.
"Sie werden keine Bestrebungen unternehmen, unsere Regierungen mit geklonten Menschen, Schläfern oder der Gleichen zu unterwandern. Unternehmungen dieser Art werden von uns als kriegerischen Akt gewertet und mit letaler Präzision beantwortet"
Was in einfachen Worten nichts anderes hieß, daß sie die Mantus, aus den wenigen von ihnen noch kontrollierten Systemen, mit Waffengewalt und ohne Kompromisse vertrieben. Viele Menschen der Konföderation konnten sich an die Katastrophe erinnern, welche mit der Annektion der Mantus über sie hereingebrochen war, so auch Jonathan Del Maro, der Präsident der Terranischen Konföderation.
"Desweiteren werden sie die Bewegungen ihrer Flotten von den Systemen der Terranischen Konföderation und ihren Verbündeten fernhalten. Dies gilt auch für Diplomatische Missionen. Ein kleinr Geleitschutz, sollten sie sich zu Verhandlungen ins Gebiet der Terranischen Konföderation oder in das Gebiet deren verbündeter, begeben müssen, wird selbstverständlich erlaubt sein. Das Erscheinen mit Kriegsschiffen, wie sie das hier in Venice getan haben, werden wir als einen kriegerischen Akt beurteilen. Es versteht sich von selbst, dass dies im gegenseitigen Einvernehmen abgeschlossen wird und für beide Seiten gilt. An dieser Stelle soll auch bekräftigt werden, daß sie mit ihrer Elipsenschale nach diesen Verhandlungen unverzüglich in ihr eigenes Gebiet zurückfliegen werden. Sie werden dabei von einer Eskorte unserer Flotte begleitet. Solange bis sie sich in ihr eigenes System transferiert haben werden. Mögliche wirtschaftliche Beziehungen hängen von einem Friedensbündnis ab. Für ihre Absicht, wahrhaftig Frieden mit der Terranischen Konföderation zu schließen, steht von ihrer Seite noch ein Nachweis aus"
Auch hier stellte er klar, daß er den Mantus ihr Entgegenkommen noch nicht abkaufen wollte und damit wies er auf die Zeit hin, welche die Wahrhaftigkeit von Nahemas Worten entweder würde bekräftigen können oder dafür würde sorgen, daß ihr Lügengebäude in sich zusammenbräche.
"Die letzte Forderung wird möglicherweise etwas mehr Effort ihrerseits erfordern, sie ist dennoch nicht weniger markant, wie die anderen Forderungen. Natürlich wird das nicht Erfüllen dieser Forderung nicht als einen Kriegerischen Akt bewertet, dennoch zeigen sie mit der Erfüllung dieser Forderung ein wenig von der geforderten Wahrhaftigkeit. Wir wollen den Kriegsverbrecher Windhauch. Zeigen sie uns ihre Bereitschaft zu einer möglichen Kollaboration und liefern sie ihn uns aus. Ihm wird nach der Rechtsprechung der Terranischen Konföderation der Prozeß gemacht werden"
Damit hatte er seine Forderungen gestellt. Nun war Nahema an der Reihe.
Nahema schweigt für einige Augenblicke und durchdenkt die gesprochenen Worte von Del Maro... jedes Detail wird analysiert und sie erkennt mit umfassender Befriedigung, dass ihre Einschätzung des terranischen Abgesandten korrekt war. Er mochte sich als Sieger sehen, wenn sie nun zustimmte, aber sie hatte bereits in diesen wenigen Augenblicken eine Vielzahl von Lücken entdeckt, die zu nutzen ihr Volk in der Lage sein würde.
Er war eben doch nur ein Chem-Pan-Sey und ihrer Rasse nicht einmal ansatzweise gewachsen - weder auf technologischer noch auf diplomatischer Ebene.
"Wir stimmen der Vereinbarung im Namen aller Mantu in dieser Galaxie zu, Präsident Del Maro." lautet die offizielle Antwort.
"Wir wünschen jedoch eine genauere Definition dessen, was Er unter einem kleinen Geleitschutz für Uns versteht. Wir werden Uns nicht für diplomatische Verhandlungen in ein Gebiet begeben, wo Seine Streitkräfte Uns mit zehnfacher Stärke einzuschüchtern versuchen. Stärke wird mit Stärke beantwortet, Unsere Ellipsenschale wiegt Seine Flotte in Venice auf." Dies waren Verhandlungen, keine bedingungslose Kapitulation - das brachte sie mit diesen Worten nochmals unmissverständlich zur Geltung.
Sie trinkt erneut einen Schluck des Weines, die Füllung des Glases neigt sich allmählich dem Ende zu.
"Wenn Er Windhauch verlangt, soll Er ihn bekommen. Wir können jedoch nur mit Informationen über seinen Standort und Bewegungen dienen, da ein direktes Vorgehen die Stabilität Unserer entstehenden Gesellschaft gefährden könnte. Wir garantieren Ihm jedoch Handlungsfreiheit für jedes Vorgehen gegen Windhauch, indem er als Verräter an Unserem Volk verkündet wird."
