Sagte sie laut, als sie sich ein wenig gefangen hatte. Ariadna González sass am Boden vor der Türe. Auf der anderen Seite lag jetzt wahrscheinlich eine Leiche. So spekulierte sie. Aus dem anderen Raum drang nun dieser seltsame Geruch in ihr Bewußtsein und erst jetzt wurde ihr erst richtig klar, was das zu bedeuten hatte. Sie stand auf. Noch immer zitterte sie am ganzen Körper, jedoch konnte sie hier nicht sitzen bleiben. Sie mußte etwas tun aber was?
Mit vorsichtigen Schritten, so als würde sie über einen zugefrorenen See mit sehr dünnem Eis schreiten, begab sie sich nach vorne. Dort entfaltete sich das Bild des Schreckens. Am Boden, auf den Sitzen und über den Tischen lagen die Leichen der anderen Wachleuten verteilt. Der Geruch, so schloß Ariadna, mußte eine Mischung aus Blut und sonstigen inneren Körperflüssigkeiten sein wie auch der von menschlichen Fäkalien. Geschockt betrachtete die das Bild, verdrängte diese Gefühle dann aber und schritt auf die Leichen zu. Der Griff an die Halsschlagadern der Meisten Wachleute bestätigte ihre Annahme, daß alle tot waren. War sie tatsächlich vollkommen alleine in diesem Shuttle?
"Hallo?"
Rief sie laut.
"Lebt noch jemand?"
Etwas in ihr sagte, daß es unklug sein könnte, sich weiterhin auf leisen Sohlen zu bewegen. Vielleicht lag da noch einer auf der Lauer und würde die Waffe versehentlich gegen sie richten, um ihr letzten Endes doch noch eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Von vorne kam so etwas wie ein ersticktes Röcheln. Sie begab sich vorsichtig nach vorne, bis sie im Zwischenbereich, zwischen Passagierräume und Cockpit, auf einen am Boden liegenden Mann traf. Offensichtlich handelte es sich um den Piloten. Wenn er hier lag, wer steurete dann das Shuttle?
Sie kniete sich neben ihn. Karls Waters hatte zurückgeschossen, nachdem dieser Wahnsinnige das Feuer auf ihn eröffnet hatte. Er wußte nicht was weiter hinten vorgefallen war. Er wußte nur, daß er hier am Boden in seinem eigenem Blut lag, und er den anderen Typen wahrscheinlich ebenfalls getroffen hatte. Die Schmerzen waren zu beginn erträglich gewesen, doch sie ließen irgendwie nach. Gleichzeitig schien sich auch sein Blick und seine Wahrnehmung der Umwelt trüben. Fühlte es sich so an, wenn man starb?
Die Frau sprach mit ihm, doch er konnte die Worte nicht verstehen, nicht greifen. Er wußte, daß diese Gonzalès vor ihm kniete, doch sie konnte nichts mehr für ihn tun. Das war ihm so eben bewußt geworden, doch in diesem Moment wußte er, daß er vielleicht dennoch etwas für sie tun konnte? Der Widerstand, seine Rolle in dieser Gruppierung war vorbei aber sie konnte vielleicht eine Zuflucht für die junge Journalistin darstellen.
Waters versuchte zu sprechen, doch die Worte wollten nicht aus ihm herauskommen. Ihm fehlte die Kraft. Sie kam mit dem Gesicht näher. Scheinbar wollte sie ihm in seinen letzten Minuten zuhören. Er versuchte nochmals zu sprechen und flüsterte ihn ihr Ohr.
Ariadna blickt in die kalten toten Augen des Piloten, welcher so eben sein Leben ausgehaucht hatte. Was war das gewesen? Was hatte er ihr zugeflüstert?
"Eclips Alpha Hashtag"
Wiederholte sie die Worte laut und dann das, was sie am meisten zu irritieren schien.
"Buahalhi lebt"
Dann hatte er auf seine Jackentasche gedeutet und sein Leben ausgehaucht. Was hatte das zu bedeuten? Sie griff in die Jackentasche und zog ein PDA heraus. Das private PDA des Piloten. Eclips Alpha Hashtag, war das ein Paßwort für einen restriktiven Bereich im PDA? Was hatte das zu bedeuten. Sie würde sich später darum kümmern müssen. Sie steckte das PDA bei sich ein und nahm die Pistole wieder auf, welche sie auf den Boden gelegt hatte, als sie den Piloten durchsucht hatte. Sie warf noch einen Blick auf das Namensschild seiner Uniform und verglich diese mit seiner Hundemarke.
"1st Lieutenant Karl Amadeus Waters"
Sprach sie die Worte leise vor sich hin. Sie riß die Marke ab und stand auf. Noch immer zitterte ihr ganz Körper. Zielstrebig begab sie sich zum Cockpit. Sie hatte keine Ahnung, wie man ein Shuttle steuerte, doch sie hatte keine andere Wahl.
Ariadna sass im Pilotensessel des Cockpits und brütete darüber was sie nun tun sollte. Soweit sie die Dinge beurteilen konnte, war das Shuttle noch immer in Richtung des Gefängnisses unterwegs, wo Ariadna Gonzales hätte verwahrt werden sollen. Für sie war von Anfang klar gewesen, daß es sich nicht um ein Absitzen einer Strafe gehandelt hatte, sondern um eine endgültige Beseitigung ihrer Person, aus dem gemeinschaftlichen Lebe der Union. Entweder würde sie im Gefängnis sterben, durch die Qualen den Verstand verlieren oder man fand einen guten Grund, sie nach der abgesessenen Strafe weiterhin wegzusperren.
Was war besser, Tod im Gefängnis oder Tod im Vakuum? Ariadna Gonzales änderte den Kurs. Sie wußte nicht wohin, doch da war dieser Sprungpunkt, der aus dem Gebiet der Union wegführte und weg von der Union schien für sie nun mal das Beste was sie tun konnte. Das System Goddard schien der einzige Weg zu sein, erst recht wenn die Alternative ein Sprung ins Reich der Kilrathis gewesen wäre. Gonzales war erfahren genug um zu wissen, daß sie dies nicht im Traum mal hätte versuchen sollen. Die Grenzen zu den Kilrathis waren alle zu und wurden durch die Unionsflotten streng bewacht.
