Das Shuttle durchquerte die unsichtbare Energiebarriere, welche die Landebucht der Sewastopol vor dem ungastlichen Vakuum des unendlichen Raums beschützte, und setzte wenig später mit einem dumpfen Geräusch auf dem Flugdeck auf. Roxy verfolgte den Anflug mit gemischten Gefühlen. Einerseits war da die Vorfreude, andererseits eine gewisse Unsicherheit. Vorfreude empfand sie ob der neuen Aufgaben, die sie erwarteten, während die Unsicherheit daher rührte, dass sich die Schwarzhaarige bereits den gesamten Flug über mit der Frage beschäftigte, ob sie denn die richtige Entscheidung getroffen hatte. Nachdem sie ihre Bar auf der Erde hatte aufgeben müssen, was sie in erster Linie ihrem Ex-(Geschäfts)-Partner zu verdanken hatte, benötigte sie zwangsläufig einen neuen Job. Eigentlich hatte sie nie geplant, aus einem Raumschiff zu arbeiten, doch letztlich war es die Höhe monatlichen Checks gewesen, die ihre Entscheidung maßgeblich beeinflusst hatte.
Das Ächzen der offensichtlich schlecht geölten Hydraulikzylinder, die sich für die Öffnung der Ausstiegsluke verantwortlich zeigten, holte Roxy abrupt aus ihren Gedanken. Mit einem leichten Kopfschütteln, um den letzten Schritt aus der Gedankenwelt zu finden, erhob sich die Schwarzhaarige von ihrem Platz, griff nach ihrer Tasche und bewegte sich auf die Luke zu. Anders als gewöhnlich, trug sie ihr langes, rabenschwarzes schwarzes Haar heute als geflochtenen Zopf, dessen Ende knapp über ihrem Hintern baumelte. Nicht ohne eine gewisse Ehrfurcht nahm sie die wenigen Stufen der kleinen Treppe und ging einige Schritte, bevor sie schließlich stehen blieb, um die Umgebung näher in Augenschein nehmen zu können.
Jäger standen in den Buchten, wurden aufmunitioniert oder gewartet. Techniker in orangefarbenen Overalls wuselten diensteifrig wie Ameisen über das gigantische Flugdeck und schienen ihre Wege blind zu finden. Der Geruch von Schmieröl, Gummi und Abgasen bildete das typische Odeur, das man erwarten durfte, wenn man ein Flugdeck oder einen Hangar betrat und verlieh der gesamten Szenerie den letzten Schliff. Dennoch, ihre Welt, war eine andere. In ihrer Welt – zumindest auf der Erde – wurde man von Duftwolken bestehend aus Alkohol und Tabakrauch eingehüllt, während man gleichzeitig versuchte angetrunkene Gäste im Zaum zu halten, die kurz davorstanden, die Einrichtung zu zerlegen. Naja, zumindest derartiges dürfte ihr an Bord eines Raumschiffs der Konföderation erspart bleiben. Falls nicht, würde sie sie auf dieselbe Art dazwischen gehen, wie sie es auf der Erde getan hatte.
Seufzend öffnete sie das seitliche Reisverschlussfach ihrer Reisetasche und holte ein offiziell aussehendes Dokument heraus. Jetzt war sie also hier, aber wie ging es weiter? Bei irgendjemandem hatte sie sich zu melden, Zivilisten oder nicht, das spielte in dem Fall wohl nur eine untergeordnete Rolle. Sie las das Schreiben einmal kurz quer und versuchte auf diese Weise den Namen der zuständigen Person in Erfahrung zu bringen. Eigentlich konnte sie sich mit einem sehr guten Namengedächtnis rühmen, doch dieses Mal musste sie zugeben, dass ihr der Name glatt entfallen war.
Anni die ihre Leute bei dem Shuttle koordinierte, sieht den Neuankömmling aus einiger Entfernung da etwas verwirrt stehen. Da sie ihr ganzes Leben auf Raumschiffen bzw. Stationen verbracht hat, merkt sie sofort, dass es sich hier um einen 'Frischling' handelt. Sie gibt eine kurze Anweisung und tippelt fröhlich zu ihr rüber. Ihre Kleidung hat sie zu ihrem Standart angelegt, das heisst sehr eng und das oliv grau hebt sie etwas ab, hinzu der Dead Kitty auffährt und die Haare zu einem pferdeschwanz gebunden. "Na, neu hier?" Plappert sie drauf auf los. "Keine Angst ist fast genau wie aufm Planeten, nur das wir etwas schneller sind und wir uns nicht nur im Kreis drehen." Meint sie aufbauend. "Ah tschuldige. Chef Mechanikerin Anni De Vil, kannst aber auch Crazy sagen." Sagt sie zwinkert. Hinter ihr poltert etwas, ein Neuling hat in seiner Hektik einen wartungswagen übersehen und diesen umgerannt. "Verdammte Sch***se könnt ihr nicht besser aufpassen ihr Pappnasen?" Entfährt es ihr laut ohne sich umzudrehen. Der Neuling räumt das Chaos schnell weg wobei sein Blick immerwieder zu Anni geht. "Collins ich erwarte dich in einer Stunde in meinem Büro." Sagt sie über die Schulter als das klappern aufhört und der Neuling zieht mit rotem Kopf von dannen. Sie lächelt Roxy freundlich an. "Keine Sorge ich halt den Kahn schon am fliegen. Kann ich dir weiterhelfen?"
Wenn man Nachts nichts mehr Essen sollte, warum gibt es dann ein Licht im Kühlschrank?
Bei der ersten Person, die Roxy auf ihrem Weg übers Flugdeck entgegenkam, handelte es sich um einen Techniker, oder bessergesagt um eine Technikerin. Mit ihrem Outfit hob sie sich deutlich vom Rest der Flugdeck-Crew ab, was wohl auf eine besondere Stellung hindeutete; oder einfach auf die Tatsache, dass sie nicht viel von TCN-Vorschriften hielt, wofür Roxanne vollstes Verständnis aufbringen konnte. Hätte ihre Arbeit verlangt, eine Uniform zu tragen, hätte selbst die Höhe der monatlichen Schecks nichts genützt, sie hätte den Job abgelehnt.
„Ich, neu? Steht mir das etwa auf der Stirn geschrieben?“ Ein leichtes Schmunzeln zeichnete sich auf ihren Gesichtszügen ab. „Aber ja, ich bin neu hier, wofür die Ankunft mit dem Shuttle wohl einen untrüglichen Beweis darstellt.“ Bei diesen Worten warf Roxy einen kurzen Blick über die Schulter, um das Shuttle, welches sie auf die Sewastopol transportiert hatte, nochmals betrachten zu können. Jetzt, da alle Passagiere von Bord waren, fand der Betankungsvorgang statt.
Die nächsten Worte der Technikerin lenkten Roxys Aufmerksamkeit wieder in deren Richtung. „Naja, so ganz wie auf einem Planeten ist es nicht, aber ich denke ich komme damit zurecht. Zumindest hat sich auf dem Flug hierher bisher noch keine Raumkrankheit eingestellt.“ Die Vorstellung der Chefmechanikerin, daher wohl die Ausnahmen beim Outfit, erwiderte die Schwarzhaarige zunächst mit einem nicken. „Roxanne Campbell, aber Roxy reicht vollkommen – aber alles ist besser als Mrs. Campbell, da fühl ich mich immer wie meine Mutter.“
Der Lärm hinter der Chefmechanikerin lenkte auch Roxys Aufmerksamkeit in Richtung der polternden Techniker und sie kam nicht umher, amüsiert zu schmunzeln. Nachdem der Techniker seinen Anschiss bekommen hatte - naja, vermutlich würde er den eigentlichen später im Büro erhalten – entschloss sich Roxy dazu Crazy mit ihrer Frage zu konfrontieren. Anderenfalls hätte sie wohl auf dem Weg durch das Schiff jemanden geschnappt und gefragt, wohin sie den nun musste. „Wie dem auch sei, ist vielleicht ganz gut, dass ich direkt auf jemanden treffe, der sich hier auskennt, dann kannst Du mir sicher auch sagen, wo es zum Büro des…“ Sie warf einen Blick auf das Schreiben, welches sie aus ihrer Tasche geholt hatte. „… Kommandanten schätze ich … finde? Ich soll mich nach Ankunft dort melden.“
"Na dann komm ich führ dich hin." Anni fuchtelt mit den Fingern um ihren Leuten anzuzeigen, das sie schneller machen sollen. "Bin ma kurz weg, macht keinen Mist." Ruft sie ihnen zu. "Lass deine Tasche solang in meinem Büro, besser als die die ganze Zeit mitzuschleppen. Willst du den kurzen oder den langen weg?" Sie führt Roxy zu ihrem Büro und lächelt freundlich bei der Frage.
Wenn man Nachts nichts mehr Essen sollte, warum gibt es dann ein Licht im Kühlschrank?
Ein junger Captain der Wölfe betritt das Flugdeck und marschiert zielstrebig auf das Büro der Chefmechanikerin zu. Auf den ersten Blick wirkt der große Mann sehr eindrucksvoll, da sich unter der Uniform eine ausgeprägte, breite Brust abzeichnet, was im krassen Gegensatz zu der Traurigkeit steht, die in seinen Augen abzulesen wäre, würde sich jemand die Mühe machen ihn anzusehen.
Als er Roxy und Crazy begegnet, bleibt er stehen und ein freundliches, beinahe charmantes Lächeln legt sich auf sein Gesicht.
"Schönen guten Tag, meine Damen."
Mit einer angedeuteten Verbeugung verharrt er, um den Damen den Vortritt zum Büro zu lassen.
"Borniert und lächerlich ist es, nicht darauf sehen zu wollen, wessen Sohn einer ist." Arthur Schopenhauer (1788 - 1860), deutscher Philosoph
Anni geht ins Büro und legt ihr Tablett auf den Schreibtisch. "Immer rein in den kabuff." Sie dreht sich um. "Was gibt's Captain...?" Fragt sie leicht verwundert.
Wenn man Nachts nichts mehr Essen sollte, warum gibt es dann ein Licht im Kühlschrank?
Das Angebot zum Kommandanten geführt zu werden, nahm Roxy natürlich dankend an. Sie folgte Crazy in deren Büro und nahm ihre Tasche ab, die sie in einer lässigen Bewegung in der Ecke abstellte. "So schwer ist die Tasche nicht, hab schon schwereres mit mir herumgeschleppt, einen Ex-Mann zum Beispiel." Sie grinste und zwinkerte dabei. Das Schreiben hielt sie indes noch immer in Händen. "Ach, es gibt zwei Wege? Naja, ich weiß ja nicht wie dringend es ist, beim Häuptling vorstellig zu werden, sonst hätte ich mich für den langen entschieden. Lang ist doch immer besser, oder?" Ein freches grinsen huschte über ihr Gesicht.
Als der Pilot im Büro erschien, was auf einem Trägerschiff wohl zum Alltag gehörte, drehte sich die Schwarzhaarige kurz herum und musterte ihn kurz. "Guten Tag, der Herr", erwiderte sie sie Desdichados Begrüßung, wobei sie nicht umher kam leicht zu schmunzeln. "Wenn Sie die Dienste des Chiefs benötigen, ich finde den Weg zum Kommandanten auch sicher alleine. Ich will hier niemanden von der Arbeit abhalten, sonst legt man mir das noch negativ aus. Das mit dem negativ auffallen spar ich mir sonst immer bis zu meiner 2. Woche auf." Ein verschwörerisches Zwinkern folgte und sie trat wieder aus dem Büro.
"Captain John Doe...Rufname Desdichado." erklärt er höflich. "Ich wollte Ihre Unterhaltung nicht stören, ich mochte mich lediglich erkundigen, ob noch Teile der verlorengegangenen Tigershark geborgen wurden."
Er blickt der rasch verabschiedenden Dame noch hinterher und ruft halblaut hinterher. "Ma'am, wenn Sie einen Moment Geduld haben, wäre es mir ein Vergnügen Sie zum Kommandanten zu bringen."
Er blickt dann wieder zu Crazy, um sie nicht durch Missachtung zu beleidigen.
"Borniert und lächerlich ist es, nicht darauf sehen zu wollen, wessen Sohn einer ist." Arthur Schopenhauer (1788 - 1860), deutscher Philosoph
Irgendwo tief in Anni beginnt etwas zu rattern. Hat sie den rufnamen schon mal irgendwo gehört? "Moment ich schau mal nach." Sie setzt sich an den Schreibtisch und tippt auf der Tastatur, blickt auf ihren Bildschirm und geht den Bestand durch. "Irgendwas besonderes wonach du suchst?" Fragt sie im plauderton während sie alles durchgeht.
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"Roxanne Campbell, aber es genügt vollkommen, wenn Sie mich Roxy nennen", erwiderte sie auf die Vorstellung des Captains und schmunzelte etwas. Er war ja durchaus ein Blickfang, aber es lag nicht in Roxys Ansinnen direkt nach ihrer Ankunft eine dieser Geschichten anzufangen, mit der Sie binnen eines Wimpernschlags einen Ruf weghatte. Was Flirten anging, das gehörte quasi zum Job und sorgte meist für einen gesteigerten Umsatz. Da der Captain kurz darauf über technische Angelegenheiten zu sprechen begann, setzte die schwarzhaarige sich etwas ab. Davon hatte sie nun gar keine Ahnung und da sie sowieso zum Kommandanten musste, blieb nun auch keine Zeit, sich mit dieser Materie auseinanderzusetzen.
Roxy trat einen Augenblick später aus dem Büro der Chefmechanikerin, blieb jedoch abrupt stehen, als Sie das Wort Ma'am hörte. Langsam drehte sie sich um und hob dabei eine Braue. "Ma'am?" Unwillkürlich griff sie nach ihrem Zopf, schwang ihn sich über die rechte Schulter und betrachtete ihn eingehend. "Hmm... könnten wir mit dem Ma'am bitte warten, bis ich die ersten grauen Haare habe? Wie gesagt, Roxanne oder Roxy reicht, Miss würde ich im Notfall akzeptieren, aber nur wenn die Bar brennt oder das Schiff auseinanderbricht." Mit einem amüsierten Gesichtsausdruck warf sie ihr Haar wieder zurück und nickte dann. "Dennoch nehme ich das Angebot gerne an, sofern sich der Chief dadurch nicht zurückgesetzt fühlt. Möchte ja nicht direkt am ersten Tag jemanden verärgern, damit warte ich auch bis die zweite Woche anbricht." Die ganze Situation begann sie zunehmend zu erheitern.
