"Das scheiß Ding stand einfach im Weg!" protestierte John amüsiert und sah durch den Raum wie ein Greifvogel auf der Suche nach Beute. "Nein hier gibts nichts was sich lohnt..." nuschelte er wieder und schüttelte den Kopf.
"Du hast recht... mit allem. Im Moment scheint es nur als ob alles möchte das wir hier scheitern und wenn wir das tun, möchte ich nicht wissen was uns bevorsteht."
"Na, na.... "Alles" ist bisher ein Einzelner. Und wenn er noch Freunde an Bord hat, werden wir sie früher oder später auch finden. "
So negativ und pessimistisch hatte sie John zuletzt nach seinem schweren Unfall erlebt- von ihrer Scheidung mal abgesehen. Wenn sie ehrlich war, machte sie sich gerade mehr Sorgen um ihn als um weitere Saboteure, auch wenn eine Giftkapsel irgendwie nach etwas Organisiertem schrie. Im Gegensatz zu den Nephilim machten ihr humanoide Feinde wesentlich weniger Angst, auch wenn man sie auf den ersten Blick nicht immer erkennen konnte. Bei John hatte der Saboteur bereits ganze Arbeit geleistet. Er schien eingeschüchtert von einem Feind aus den eigenen Reihen...
"John? Für den Fall, dass es kein Einzeltäter ist....und ich bei meinen Nachforschungen irgendwem auf die Schliche komm... "
Sie sah ihn aus großen braunen Augen an.
"Ich weiß, ich bin Zivilistin...aber darf ich zum Schutz eine Waffe tragen?"
Johns Augenbraue schoss in die Höhe, er wollte etwas erwidern aber dachte nochmal über die Situation nach. Er wußte natürlich von ihren Besuchen am Schießstand und auch das sie den Waffenschein gemacht hatte. "Gut aber keine John-Wayne Nummern.. und keine Alleingänge! Verstanden?" mahnte er und sah sie eindringlich an.
"Du bist einer von zwei Menschen an Bord, von denen ich behaupten kann, dass sie mich wirklich kennen. Du weißt, dass ich niemals leichtfertig auf ein Lebewesen schießen könnte."
Keine Alleingänge konnte sie allerdings nicht versprechen... Das würde die Situation ergeben. Sicher würde sie einige Leute, die mit dem verstorbenen Saboteur zusammen gearbeitet hatten, befragen müssen. Mit ihm selbst konnte man schließlich nicht mehr reden...
"Außer, ich müsste mich selbst verteidigen. Ich häng ziemlich an meinem Leben."
"Ich weiß..." sagte John leise und schüttelte den Kopf.
"Na dann, wollen wir mal hoffen das es wirklich nur ein verlorener Geist war, nicht wahr?" er versuchte es mehr sich selbst einzureden als Cassie. "Sobald du was hast lass es mich bitte wissen ja? Ich werde jetzt wieder auf die Brücke gehen, wir starten die nächste Kampfoperation gegen die Rebellen heute Nachmittag."
"Ich geb mein Bestes, es herauszufinden. Und ich halte dich auf dem Laufenden. Ob uns das Ergebnis gefallen wird, oder nicht- vorausgesetzt wir bekommen eins... "
Schließlich hatte sie noch nie einen Toten analysiert... Nachdem John gegangen war, wagte sie einen ersten Blick auf die Daten, die er ihr aufs PDA geschickt hatte:
Name: DiAroso, Juan Alter: 27 geb: 2675.013 Geburtsort: Sol
wohnhaft in: Mexico, Mexico-Stadt
-2681 - 2692: Highschool, Abschluss mit Note 2,3
-2695: Einschreibung an der Akademie der TCN, Pilotenlaufbahn
-2695: Wechsel der von der Pilotenakademie auf die Technikerschule
-2698: Abschluss Specialist, Bereich Instandsetzung, Note 2,2
-2698 - 2701: Dienst in den Orbitwerften rund um Sol
-2702: Versetzung Sewastopol aufgrund Personalnachforderung
Das war schon mal interessant. Er hatte eine Pilotenausbildung angefangen, jedoch im selben Jahr abgebrochen.... Sie machte sich diesbezüglich eine Notiz und las weiter.
Auszug aus dem Eignunstest für Piloten: Psychologisches Interview: Mister DiAroso ist sehr ruhig und introvertiert. Komplexe Zusammenhänge sowie reaktionsgebundene Entscheidungen bereiten ihm Probleme. Er kann neue Sachverhalte sicher erfassen, aber nicht richtig umsetzen. Im Planspiel mit anderen Bewerbern erwies sich Mister DiAroso als sehr zurückhaltend. Soziale Kontakte mit Personen seiner Altersgruppe sind nicht vorhanden. Mister DiAroso neigt zu Tagträumen und erweist sich als sehr naiv. Eine Empfehlung für die Laufbahn als Pilot kann nicht erteilt werden. Mister DiAroso erfüllt nicht die notwendigen Vorraussetzungen körperlich wie auch geistig. Wir schlagen daher eine Verwendung im Bereich der Instandsetzugn vor. Mister DiAroso erhält die Möglichkeit nach einer Absolviereung von 10 Dienstjahren erneut den Pilotentest zu absolvieren.
Sie stutzte etwas. Ein Highschoolabschluss von 2,3 und dann traute man ihm nicht zu, komplexe Zusammenhänge zu verstehen? Diese Beurteilung klang wie ein Todesurteil für seine angestrebte Karrierelaufbahn. Introvertiert, sozial isoliert, körperlich und geistig den Ansprüchen nicht genügend, naiv und tagträumerisch.
Vielleicht würde es helfen, Schulzeugnisse von ihm anzufordern, sofern diese noch vorhanden waren. Vielleicht war er in bestimmten Bereichen hochbegabt, was seinen Notendurchschnitt anhieb. Konnte diese etwas laienhaf ausgedrückte Beurteilung eventuell Hinweise auf Autismus geben? Sie las weiter.
Auszug aus dem Melderegister, Mexico-Stadt:
Juan DiAroso, 17 Jahre - Festnahme wegen Diebstahl, Freilassung wegen geringfügigkeit, Verfahren eingestellt
-2695: Wohnortabmeldung, keine neue Meldeadresse hinterlegt
-2696: Anmeldung Wohnadresse, Mexico-Stadt
-2699: Abschluss Finanzdarlehen in Höhe von 70000 Credits
-2700: Vollständige Tilgung Finanzdarlehen
Diebstahl mit 17... Sie pustete eine Haarsträhne, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatte aus ihrem Gesicht. Ein Diebstahl als Teenager machte einen nicht automatisch zu einem Saboteur. Jeder Teenager testete mal seine Grenzen- auf welche Art auch immer. Dagegen war die schnelle Tilgung des Darlehens wesentlich verdächtiger. Wieso brauchte ein Techniker im Dienste der TCN auf einer Werft mitten im All bei Sol 70000 Credits? Und noch viel interessanter: wie wurde er die Schulden so schnell wieder los? Diesbezüglich galt es, nachzuforschen. Vermutlich war Intel schon dabei....
AN Dr Lily Green VON Dr Cassandra E'Lar BETREFF: Autopsie DiAroso
Sehr geehrte Dr Green, Admiral West hat mich damit beuftragt, ein psychologisches Profil des verstorbenen Saboteurs zu erstellen. Bitte setzen Sie mich über den Zeitpunkt der Autopsie in Kenntnis, da ich dabei gerne anwesend sein möchte.
Freundliche Grüße und willkommen an Bord, Cassandra E'Lar
Lily saß vor dem Computer in dem besseren Besenschrank, den die Krankenstation Ärztezimmer nannte und tippte Captain Bakers Befund ein, als ihr PADD brummte.
Cassandra E'Lar... Den Namen hab ich doch schon mal gehört, dachte Lily als sie den Absender der Nachricht sah. Rasch las sie sich den Inhalt durch und tippte dann die Antwort.
AN Dr. Cassandra E'Lar VON Dr. Lily Green BETREFF RE: Autopsie DiAroso
Guten Abend Dr. E'Lar,
vielen Dank. ☺
Die Autopsie ist für morgen früh 0900 angesetzt. Sind Sie das erste Mal bei einer dabei?
Cassandra überlegte, ob ihr das Aufschneiden einer unbekannten Leiche etwas ausmachen würde und kam erst einmal zu dem Ergebnis, dass sie immerhin die Tochter zweier Ärzte war. Und auch wenn sie keinerlei Erinnerung an ihre Mutter hatte, war diese schließlich Pathologin gewesen. Vielleicht lag es ihr in den Genen? Allerdings war sie ziemlich geruchsempfindlich....
AN Dr Lily Green VON Dr Cassandra E'Lar BETREFF: RE:RE:Autopsie DiAroso
Sehr geehrte Dr Green, vielen Dank für die Information. Ja, das ist meine erste Autopsie. Halten Sie bitte ggf einen Eimer und etwas Minzöl parat. Ansonsten hoffe ich darauf, dass mein wissenschaftliches Interesse stärker ist als der Eklel. Freundliche Grüße, Cassandra E'Lar
AN Dr Cassandra E'Lar VON Dr Lily Green BETREFF: RE:RE:RE:Autopsie DiAroso
Sehr geehrte Dr E'lar,
machen Sie sich darum keine Sorgen. Wir haben ausreichend Behälter für Mageninhalte, ausserdem bekommt jeder Nicht-Mediziner einen Mundschutz und eine geruchsübertüchende Salbe. Kleiner Tip noch von mir: essen Sie heute am Besten eine Suppe ohne Einlage und morgen früh Haferschleim oder Joghurt, nichts festes. Wenn Sie einen empfindlichen Magen haben, wird dieser es Ihnen danken. Freundliche Grüße, Lily Green, MD